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Ethik im Mittelpunkt der Digitalisierung - Unser Gastbeitrag auf digitaldialog.swiss

Für den Dialog Digitale Schweiz des BAKOM haben wir zum Thema Ethik & Digitalisierung einen Gastbeitrag verfasst: https://www.digitaldialog.swiss/de/dialog/ethik-im-mittelpunkt-der-digi…

Viele denken, dass das Einbeziehen von Ethik in die digitale Innovation ein Kampf auf verlorenem Posten ist. Die Innovation schreitet rasant voran, während ein paar Idealisten versuchen, diesem ganzen Prozess Ethik einzuhauchen. Sie scheuen keine Mühen, um Unternehmen zu «sensibilisieren», die Zivilgesellschaft «zusammenzubringen» oder die Öffentlichkeit zu «mobilisieren». All dies mit einem löblichen, aber schwierigen Ziel: Ethik in die digitale Innovation zu integrieren.

Aber halt einmal. Und wenn diese Perspektive falsch ist? Wir schlagen hier eine andere Sicht der Dinge vor: Ethik steht immer im Mittelpunkt von Innovationsprozessen. Denn diese Prozesse kommen nicht von ungefähr, sondern sind das Ergebnis von Entscheidungen, die von Menschen getroffen werden und auf bestimmten, sehr spezifischen Werten beruhen. Wenn die Forschungs- und Entwicklungsabteilung eines Unternehmens neue Produkte entwickelt, arbeiten die Ingenieurinnen und Ingenieure daran, bestimmte Ziele zu erreichen. Ihre Arbeit orientiert sich an bestimmten Werten. Ethik muss nicht integriert werden, sie ist bereits vorhanden.

Dies stellt uns vor zwei Herausforderungen: Wie kann man einerseits die Werte, auf denen die Innovationen basieren, explizit benennen und andererseits entscheiden, ob es sich dabei um die richtigen Werte handelt? Zur Bewältigung der ersten Herausforderung muss Transparenz geschaffen und kritisch hinterfragt werden, welche Beweggründe hinter den verschiedenen Innovationen stehen und welche Auswirkungen Letztere haben. Zunächst müssen wir die einer bestimmten Innovation zugrunde liegende Ethik erläutern. Weshalb wurde eine Dienstleistung geschaffen, welche Auswirkungen hat sie auf die Nutzerinnen und Nutzer und welchen Einfluss auf die Gesellschaft? Fast täglich werden wir daran erinnert, dass Digitalisierung für «Chancen» und «Risiken» steht. So weit, so gut, aber bevor wir mit der Auflistung dieser positiven und negativen Auswirkungen beginnen, müssen wir uns auf Bewertungsstandards einigen. Die zweite Herausforderung stellt uns vor eine Wahl: Nach welchen Werten wollen wir beurteilen, ob Innovation Fortschritt ist? An möglichen Werten mangelt es nicht. Sie finden sich in einer Menschenrechtsgrammatik, in den Zielen zur nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) oder durch das Prisma des materiellen Wohlbefindens oder unserer Lebensqualität. Es ist an uns, eine Wahl zu treffen.

Aber wer ist denn eigentlich dieses «Wir», das sich diese Fragen stellt? Als Bürgerinnen und Bürger können wir politische Entscheidungen treffen und so die vertretenen Werte bestimmen und die öffentlichen Fördergelder für Innovationen kanalisieren. Nach den eidgenössischen Wahlen sollten wir alle unseren Parlamentariern konkrete Fragen zu den Auswirkungen der Digitalisierung stellen: Wie kann ich meine digitale Persönlichkeit insbesondere durch den Schutz meiner Daten schützen? Wie sollte die Plattformwirtschaft reguliert werden?

Dieses «Wir» findet sich auch in unserem Berufsleben als Angestellte, Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Investorinnen und Investoren wieder. Der Druck der Öffentlichkeit auf mehr oder weniger fragwürdige Geschäftspraktiken steigt. Die Konsumentinnen und Konsumenten wünschen sich qualitativ hochwertige Informationen über die Bedingungen, unter denen Waren und Dienstleistungen hergestellt werden. Dies betrifft natürlich die Auswirkungen auf die Umwelt, aber auch spezifische Fragen der digitalen Welt. Kritisch betrachtet wird derzeit der Einfluss der digitalen Tech-Riesen. Bald wird dieser kritische Blick aber auch auf alle Akteure – private oder öffentliche – ausgeweitet, die die gleichen digitalen Tools einsetzen. Bisweilen hat die Realität die Fiktion von gestern eingeholt: Meine Bank verweigert mir eine Hypothek, ohne mir erklären zu können, weshalb ihre Analysetools eine negative Antwort vorgeben. Meine Autowerkstatt hat Zugang zu allen Daten meiner Fahrten. Die Frage der Verantwortung lässt sich nicht für alle Wirtschaftsakteure umreissen, Letztere müssen ihre Ethik für die digitale Welt klar formulieren.

Im Rahmen unserer Tätigkeiten als Lab für Innovationsethik haben wir Dutzende von Workshops mit Start-ups und KMU durchgeführt, um diese Fragen zu untersuchen. Zu Beginn dieser Workshops hält sich die Begeisterung mitunter in Grenzen. Dieses Plädoyer für eine digitale Ethik wird als zusätzliche Verpflichtung angesehen, als schlechte Nachricht für die Geschäfte. Und doch wird sie nach zwei Stunden Diskussion oft als Chance angesehen. Eine digitale Ethik, oder allgemeiner eine Innovationsethik, wird der Wettbewerbsvorteil der Zukunft sein. Diese Positionierung stösst bei der Öffentlichkeit auf mehr Akzeptanz, ist aber auch wichtig, um der Arbeit der Mitarbeitenden einen Sinn zu geben und die Kohärenz des Gesamtprojekts zu gewährleisten.