Prometheus' Traum
Seit jeher versucht der Mensch, ein künstliches Abbild seiner selbst zu schaffen. Mit dem Auftauchen von menschenähnlichen Robotern wird diese Vision realer denn je. Doch wie sollen sich Menschen gegenüber Maschinen verhalten, die ihnen ähneln?
Aus Lehm formte Prometheus ein Abbild seiner selbst, liess ihm Leben einhauchen und schuf so den Menschen. Ab dem Frühmittelalter findet sich in der jüdischen Mystik die Figur des Golems: dieses stumme Wesen sollte von Gelehrten ebenfalls aus Lehm geschaffen und in der Lage sein, für den Menschen Aufträge auszuführen. Einige Jahrhunderte später versuchten sich Alchemisten an der Schaffung eines Homunkulus, einer Nachbildung des Menschen aus organischen Materialien. In Goethes Faust schafft Wagner in einer Glasflasche aus chemischen und organischen Stoffen ein solches «bewegliches, wohlgebildetes Zwerglein», der Gedanken erraten kann.
Geist, Bewusstsein und humanoide Artefakte
Die Vision, menschliche Wesen aus unbelebter Materie herzuzaubern, geht einher mit philosophischen Ausschweifungen über den Ursprung der menschlichen Seele. Wenn ein künstliches Abbild des Menschen geschaffen werden könnte, wäre dieses unbeseelt? Falls nicht, an welchem Punkt ginge unbeseelte in beseelte Materie über? Damit verbunden ist andererseits auch die Frage, ob künstlich geschaffene Wesen ein Bewusstsein entwickeln können. Könnten sie sich selbst und die Welt als solche wahrnehmen, oder imitierten sie nur menschliches Verhalten? Empfindet ein künstlich geschaffenes Wesen Emotionen, oder ist diese Fähigkeit nur natürlichen Menschen vorbehalten?
Prometheus der Gegenwart
Auch heute versucht der Mensch, Abbilder seiner selbst zu schaffen. Die Herangehensweise ist dabei nicht länger mythisch-alchemistisch, sondern technologisch; humanoide Roboter bestehen aus Drähten, Chips, Prozessoren und Schaltkreisen statt aus Lehm und Blut. Humanoide Roboter haben einen uns nachempfundenen Körperbau, ihre Gelenke liegen an den gleichen Stellen wie die unseren und meist weisen sie ein Gesicht auf, welches dem unseren ähnlich sieht, inklusive Tools, die unserem Seh- und Hörnerv entsprechen. Der Roboter Atlas, der im Auftrag der Defense Advanced Research Projects Agency von Boston Dynamics produziert wurde, oder der kindlich aussehende Pepper sind Vertreter dieser Gattung. Während Atlas als auch Pepper klar als Roboter erkennbar sind, wird bei der Entwicklung von Androiden wie Sofia versucht, die Roboter vom Menschen ununterscheidbar zu gestalten.
Bewusstsein als metaphysisches Phänomen
Wie schon im Fall der Homunkuli und des Golems werfen auch diese neusten Entwicklungen Fragen nach Bewusstsein, Geist und Emotionen auf. Humanoide Roboter simulieren menschliches Verhalten. In der Wissenschaft wird aber an der sogenannten Artificial Conciousness geforscht, durch die Maschinen über ein künstliches, neuronales Netzwerk ein Bewusstsein erlangen sollen. Aus einer philosophischen Sicht ist aber unklar, inwiefern künstliche Entitäten überhaupt ein Bewusstsein entwickeln können oder ob es sich um ein metaphysisches Konzept handelt, das technologisch nicht nachgebaut werden kann.
Ethik der Interaktion
Durch die Entwicklung von humanoiden Robotern stellen sich auch Fragen der Ethik.
Es ist unklar, welche moralischen Handlungen von einem Roboter als zulässig betrachtet werden und wie sich Menschen gegenüber diesen neuen Wesen verhalten sollen.
Wissenschaftler/-innen des Behavioural Science Institute der Radboud University und der Universität München führten eine Studie zur Wirkung von menschenähnlichen Robotern auf die moralische Entscheidungsfindung durch. Dafür wurden die Probandinnen und Probanden mit verschiedenen Dilemmata konfrontiert, in denen entweder ein Mensch, ein humanoider Roboter oder ein nicht-humanoider Roboter zur Rettung einer Personengruppe geopfert werden musste. Sie konnten entweder eine an prädefinierten Prinzipien orientierte, deontologische Handlungsoption wählen, bei der kein Wesen geopfert werden durfte, obschon andere dadurch gerettet werden könnten. Oder aber sie wählten eine utilitaristische Handlungsoption, bei der nur die Anzahl an geretteten Leben entscheidend war.
Tatsächlich fand die Studie heraus: Je menschenähnlicher ein Roboter in Aussehen und Verhalten ist, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Probandinnen und Probanden eine deontologische Handlungsoption wählen und den Roboter nicht opfern, um eine Gruppe von Menschen zu retten.
Die Probandinnen und Probanden verhalten sich gegenüber dem humanoiden Roboter, als handele es sich dabei um einen fühlenden Menschen.
Ethik der Ästhetik
Der Mensch verspürt seit Prometheus’ Zeiten den Drang, artifiziell ein Abbild seiner selbst zu schaffen. Dies bringt Fragen des Ursprungs des menschlichen Bewusstseins an die Oberfläche. Die Entwicklung humanoider Roboter stellen aber neue ethische Fragen zum Umgang mit solchen artifiziellen Wesen – denn Menschen verhalten sich Robotern gegenüber empathischer, wenn diese humanoid aussehen.
Insbesondere bei der Ausgestaltung von Pflegerobotern spielt dies eine Rolle, da diese weit in die Privatsphäre einer/-s Pflegebedürftigen eingreifen.
Dieser ethische Diskurs muss mit Expertinnen und Experten verschiedener Disziplinen gesucht werden - so könnte der Traum des Menschen, ein ihm ähnliches Ebenbild zu schaffen, wahr werden, ohne einen ethischen Sturzflug zu riskieren. Eine Chance, an diesem Diskurs rund um die ästhetische Ethik von humanoiden Robotern teilzunehmen, bietet sich am kommenden Event am 13. Juni, bei dem ethix zu einem partizipativen Austausch im Generationenhaus Bern zumThema Roboter in der Pflege einlädt.