Value Sensitive Design Approach - Mehr als ein schickes Schlagwort?
Wie kann man einen Designprozess so gestalten, dass an dessen Ende ein ethisch verantwortungsvolles Design steht? Eine Antwort auf diese Frage bietet das Konzept des Value Sensitive Design (VSD). Gastbeitrag von roboethics.ch.*
Unter Value Sensitive Design versteht man in der Maschinenethik eine spezifische Herangehensweise an die Ausformulierung von Werten in Designprozessen. Ziel dieser Herangehensweise ist ein ethischer ‘Übersetzungsprozess’: Grundlegende Werte werden in konkrete Normen und diese in spezifische Designanforderungen übersetzt.
Ansatz und Vorgehensweise
Dieses Vorgehen verlangt eine vielschichtige Analyse auf konzeptioneller, empirischer sowie technischer Ebene des Designprozesses. Mithilfe von Methoden wie Stakeholderanalysen (von direkt und indirekt Betroffenen), Befragungen und Machbarkeits-Studien wird versucht, immer wieder ethische ‘Feedback Loops’ in die Entwicklung des Designs zu integrieren. Darin drückt sich die doppelte Sicht auf Werte im VSD aus:Zum einen werden bereits durch das Design gewisse Werte unterstützt bzw. verhindert, zum anderen berücksichtigt das Konzept, dass die Nutzung von Technologien durch Personen (User) erfolgt, die mehr oder weniger wertorientierte Ziele verfolgen.
Es stellt sich aber die Frage, welche Vorteile ein solches Vorgehen nach VSD in der Praxis für Unternehmen bzw. der spezifischen Produktentwicklungen bietet.
In dem von uns untersuchten Kontext – Start-ups aus dem Bereich der Robotik und der künstlichen Intelligenz – geht es primär um die Entwicklung von Prototypen, die für bestimmte Einsatzgebiete (und damit Märkte) bestimmt sind. Obwohl sich keines der befragten Unternehmen zuvor mit dem spezifischen VSD-Ansatz auseinandergesetzt hatte, wurde in den jeweiligen Designentwicklungen oftmals über Werte nachgedacht – häufig jedoch ohne die entsprechende Benennung. Im Zentrum der Überlegungen stand meist nur der User. Die Fragen zielten also vor allem darauf ab, welche Funktionen für den Nutzer erfüllt sein müssen. Dabei kamen Werte wie beispielsweise Sicherheit oder Datenschutz in den Blick.
User-zentriertes Design
Die Rückmeldungen der Startups zum VSD Ansatz waren unterschiedlich: Einige sehen es als das passende Framework für die wertebasierte Startup-Kultur. Andere, kritischere Stimmen, bezweifeln seinen Mehrwert. Dem gilt es zu entgegnen, dass das VSD einige Probleme des User-zentrierten Ansatzes vermeidet. Der User-zentrierten Ansatz ist funktionalistisch: Es geht diesem im Grunde nur um die Zufriedenheit des jeweiligen Nutzers, andere Aspekte wie beispielsweise ein ökologischer Schaden o. ä. können gar nicht verhandelt werden. Der user wird nicht in die Gesellschaft eingebunden, sondern isoliert betrachtet.
Vorteile des Value Sensitive Design
Mit dem moral user, der sich beispielsweise auch um die Umwelt sorgt, könnte diesem Vorwurf begegnet werden. Die gesellschaftliche Legitimierung bleibt jedoch schwach und langfristige gesellschaftliche Probleme wie Umweltverschmutzung werden auch dann noch häufig hinter individuell drängenderen Werten wie persönlicher Unversehrtheit zurückbleiben. Dies zeigte sich auch in den Gesprächen mit den Startups und liegt an der einseitigen Begründungsstrategie durch den moral user, worin nur bottom-up argumentiert wird. Das VSD ergänzt dies durch eine top-down Begründung, die von den Werten ausgeht und von dort zu spezifischen Designanforderungen gelangt. Zudem liegt ein weiterer Vorteil des VSD in der Art der Kommunikation, die es den Designer*Innen erlaubt, sich selbst als Teil des ethischen Frameworks zu sehen, was mehrfach auch als Anspruch oder als Mehrwert eines Designansatzes formuliert wurde. Das VSD kann so, wie auch von einem Start-Up beschrieben, in die Unternehmenskultur integriert werden und Mitarbeitende aktiv in die ethische Ausgestaltung der Produkte einbeziehen. Selbst wenn eine VSD-Analyse für ein Produktdesign in keinen neuen Design-Anforderungen resultiert, so bleibt der Vorteil bestehen, dass ethische Überlegungen systematisch abgebildet, besser und inklusiver kommuniziert und reflexiv in den Designprozess eingeschlossen werden. Somit ermöglicht das VSD eine stärkere gesellschaftliche und soziale Rückbindung.
Weiterführende Literatur: Van den Hoven, Jeroen; Vermaas, Pieter E.; Van de Poel, Ibo (Hg.): Handbook of Ethics, Values and Technological Design. Sources, theory, Values and Application Domains, Springer 2015.
*roboethics.ch ist ein Think Tank, der von Studierenden des Masterstudiengangs Geschichte und Philosophie des Wissens an der ETH Zürich initiiert wurde.