Wie umgehen mit der Automatisierung?
Weniger Jobs? Bessere Jobs? Die Automatisierung von Arbeit stellt unsere Gesellschaft vor grosse Herausforderungen. Vielleicht inspirieren uns die folgenden sechs Strategien.
Das Problem ist vieldiskutiert: Immer mehr Arbeitsprozesse werden heute digitalisiert oder automatisiert. Am Ausgang des Supermarkts stehen Self-Checkout-Kassen, Zugbilette gibt es nur noch im Internet oder in einer speziellen App und Roboter übernehmen Arbeiten, die vorher von Menschen ausgeführt wurden. Kein Wunder grassiert die Angst, dass uns früher oder später die Arbeit ausgehen wird.
Dabei droht für viele ein signifikanter Sinn- und Identitätsverlust. Fällt die Arbeit weg, steht nicht bloss die Frage im Raum, woher das Geld kommt. Immerhin identifizieren sich fast alle Menschen mit ihrer Arbeit und geben ihrem Leben dadurch einen Sinn. Als Gesellschaft gilt es also, Strategien zu entwickeln, wie mit dem drohenden Arbeitsplatzverlust und der garantiert eintretenden Transformation des Arbeitsmarktes umgegangen werden soll.
Die Transformation als Chance
Für manche Forscherinnen und Forscher ist die gegenwärtige Automatisierung auch eine Chance, neue gesellschaftliche Grundsätze zu entwickeln. So schreiben Gary E. Marchant, Yvonne A. Stevens und James M. Hennessy, dass «die Effizienz und der Wohlstand, die durch Technologien geschaffen wurden – auch wenn sie die Beschäftigung verringern könnten – ein günstiges Zeitfenster liefern, um Massnahmen zu ergreifen, welche diesen Wohlstand nutzen, um allen Bürgerinnen und Bürgern zu helfen, genügend materielle Unterstützung zu erhalten, um ein gutes Leben mit mehr Freizeit und Zufriedenheit zu geniessen».
Doch was für Massnahmen könnten hier greifen? Die Autor*innen diskutieren sechs verschiedene Ansätze: Arbeit schützen, Arbeit teilen, neue Arbeit schaffen, Umverteilung, Bildung und einen neuen Gesellschaftsvertrag. Nicht alle sind jedoch gleich gut geeignet, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen.
Gerade weil die Transformation durchdringend sein könnte, ist es wichtig, möglichst alle diese Strategien ernsthaft und offen zu prüfen. Damit Technologie auch in Zukunft zum Wohlstand der breiten Gesellschaft beiträgt.
Arbeit schützen
Beginnen wir mit den verschiedenen Möglichkeiten, wie bestehende Arbeit vor der Automatisierung geschützt werden könnte. So liesse sich Innovation hemmen, menschliche Arbeitskräfte statt Roboter gesetzlich vorschreiben oder der Arbeitsmarkt stärker regulieren. Doch es ist wahrscheinlich, dass solche defensiven Manöver das Unvermeidliche bloss hinauszögern und nicht verhindern.
Arbeit teilen
Eine naheliegende Alternative ist, die bestehende Arbeit unter mehr Menschen aufzuteilen. Dies könnte durch ein tieferes Rentenalter, kürzere Arbeitszeiten oder längere Ferien geschehen. Doch wie bereits bei der ersten Strategie, besteht auch hier die Gefahr, dass solche Alternativen einer radikalen Automatisierung nicht standhalten. Entsprechend schreiben die AutorInnen: «Wenn Maschinen immer mehr Arbeiten übernehmen, ist es unwahrscheinlich, dass genügend menschliche Arbeitsstunden vorhanden sein werden, um auch nur eine kürzere Arbeitswoche zu rechtfertigen.»
Die neue Arbeit
Einen Ausweg aus diesem Problem bietet der viel beschworene Lichtblick, dass die Transformation des Arbeitsmarkts mit neuer Arbeit kompensiert würde. Die Hoffnung: Statt Übersetzer*innen gibt es in der Zukunft mehr Programmierer*innen. Doch es bleibt fraglich, ob diese optimistische Vision dem Potenzial von Algorithmen und künstlicher Intelligenz wirklich gerecht wird.
Umverteilung
Vor dem Hintergrund dieser Zweifel, dürfen wir unsere Augen auch nicht vor radikaleren Massnahmen verschliessen. So besteht ein erster weitreichender Vorschlag darin, Wohlstand systematisch und noch gezielter umzuverteilen. Sei es mit Steuern auf autonome Systeme oder Algorithmen. Oder aber einem garantierten Grundeinkommen. Solche Forderungen haben es jedoch in der heutigen Zeit noch schwer.
Bildung
Darum berufen sich viele stattdessen auf das Potenzial der Bildung und Weiterbildung. Fällt Arbeit der Automatisierung zum Opfer, soll mit einer kontinuierlichen Weiterbildung dafür gesorgt werden, dass Menschen neue Arbeit finden. Diesem ständigen Hinterherhinken tritt die Idee entgegen, bereits von Anfang an die Bildung auf zukunftsfähige Arbeitsfelder auszurichten. Die Arbeit der Zukunft könnte zum Beispiel darin bestehen, Probleme kreativ zu lösen, statt manuelle Arbeit zu verrichten.
Neuer Gesellschaftsvertrag
Doch auch das wird wohl nicht davor schützen, dass viele Menschen weniger oder gar keine Arbeit mehr finden werden, denn künstliche Intelligenz bedroht nicht bloss manuelle Arbeit. Damit die drohende grosse Arbeitslosigkeit nicht die Fugen der Gesellschaft auflöst, müsste womöglich auch ein neuer Gesellschaftsvertrag ausgehandelt werden. Primär dürfen soziale Errungenschaften in der Zukunft nicht mehr von der Erwerbstätigkeit abhängen. Eine neue Sozialpartnerschaft ist ein Schritt in diese Richtung.
Welche Strategie ist die richtige?
Es ist schwierig zu sagen, wie effizient jede dieser möglichen Strategien ist. Dies insbesondere deshalb, weil nach wie vor unklar ist, wie einschneidend und disruptiv die Automatisierung der Arbeit sein wird. Doch gerade weil die Transformation durchdringend sein könnte, ist es wichtig, möglichst alle diese Strategien ernsthaft und offen zu prüfen. Damit Technologie auch in Zukunft zum Wohlstand der breiten Gesellschaft beiträgt.